Warten auf Godot

Samuel Beckett

Premiere am 04. Juni 2011 am Theater Pforzheim

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Inszenierung: Ingo Putz

Ausstattung: Britta Langanke

Dramaturgie: Georgia Eilert

Video: Dirk Schaper

Lichtdesign: Andreas Schmidt

Fotos: Sabine Haymann

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Besetzung

Wladimir: Holger Tessmann

Estragon: Michael Meichßner

Pozzo: Fredi Noel

Lucky: Dario Krosely

Junge: Luka Krosely

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Pressestimmen

PFORZHEIMER ZEITUNG

von Sabine Hägele:

Die unendliche Hilflosigkeit des Seins

Überraschende Bühnen-Anordnung und viel Begeisterung.

Auf was lohnt es sich zu warten? Auf ein erfülltes, glückliches Leben oder einfach nur Erdbeeretorte mit viel Sahne? Und was ist eigentlich absurd? Die CDU zu wählen – die Ereignisse in Japan? Und handelt es sich um Warterei auf Metaebene, wenn man im Foyer des Stadttheaters darauf wartet, dass im Podium Godots geharrt wird?

Noch vor dem eigentlichen Beginn des Samuel Beckett-Schauspiels wehten den Besucher derlei existenzielle Reflexionen zwischen Tiefsinn und Nonsens an. Schülerinnen des THG Mühlacker unter Leitung von Theaterpädagogin Nicole Dietz hatten sich unter das Publikum gemischt und verwischten mit ihrer Performance zur Premiere auf irritierende Weise die Konturen zwischen Werk und Realität.

Ähnlich überraschend ist die abenteuerliche Sitz- und Bühnenanordnung: Die Stühle reichen bis unmittelbar auf die zentral angeordnete Bühnenrampe und auch die nachgeordneten Parkettreihen kommen in den Genuss der Tuchfühlung, da die Korridore ebenfalls bespielt werden. Anstelle des obsoleten Bühnenbilds hat Ausstatterin Britta Langanke mehrere Bildschirme platziert, auf denen ein nackter Baumstamm eingeblendet ist. Er steht für den ominösen Ort im Nirgendwo, an dem die beiden Vaganten Wladimir und Estragon, genannt „Didi“ und „Gogo“, aus undurchsichtigen Gründen vergeblich auf den nicht minder dubiosen Godot warten.

Ob mit „Godot“ tatsächlich „Gott“ gemeint ist und die beiden hilflosen Clowns auf gnädige Erlösung warten oder von der Résistance versteckte Juden sind, die vergeblich auf einen Schlepper hoffen, ließ Beckett neben anderen Interpretationsvarianten Zeit seines Lebens offen. Entsprechend verzichtet auch die Inszenierung von Ingo Putz auf konkrete Deutungen, die Beckett selbst als „intellektuelles Gesabber“ bezeichnet hätte. Stattdessen erinnert Holger Teßmann (Wladimir) an der Seite des großgewachsenen Michael Meichßner, beide livriert und mit Miniatur-Hut angetan, unweigerlich an das Komikerduo Laurel und Hardy. Ihren Beitrag dazu leisten tumultartige oder skurrile Slapstickszenen. Etwa wenn Gogo mit beängstigendem Schwung über die Bühne poltert, Didi das gesäuselte „Adieu“ zur „Arie der Königin der Nacht“ auswachsen lässt oder das ungleiche Paar zwischen Überdruss und Abhängigkeit sein anrührendes Begrüßungsritual zelebriert. Doch gerade diese komischen Elemente lassen die Hilflosigkeit der Protagonisten besonders deutlich zu Tage treten. Sogar der Freitod erscheint in diesem unendlichen Regress des Wartens erstrebenswerter, als die Redundanz des Immergleichen, oder wie Gogo formuliert: „Ich bin immer im Dreck herumgekrochen, wie soll ich da Nuancen sehen?“

Fast lässt es sich nicht mit ansehen, wie der widerliche Unsympath Pozzo, hervorragend gespielt von Fredi Noel, seinen Knecht „Lucky“ (Dario Krosely) mit Leine und Halsband über die Bühne schleift und mit Befehlen wie „tanz, rezitiere, denke, du Schwein!“ traktiert. Inmitten des destruktiven Tändelns, des ständigen Vergessens und der schwankenden Stimmungen zwischen Euphorie, Wut und Verzweiflung, bleibt die einzige Hoffnung das Aufkreuzen Godots, der jedoch nur über den doppelten Umweg eines Boten (Luka Krosley), der per Videobotschaft kommuniziert, sein Kommen verspricht.

Obwohl in dieser Welt der einzige Trost in der Wendung frei nach Heraklit besteht, nach der man nie zweimal in dieselbe Jauchegrube steigt, bleibt am Ende des Abends keine Beklemmung, sondern die Begeisterung über eine vielschichtige Inszenierung mit durchweg überzeugenden Darstellern.

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LEONBERGER KREISZEIZUNG

von Dieter Schnabel:

(…) Im Podium des Theaters Pforzheim setzt nun auch Ingo Putz kein quälendes, trost- und auswegloses Glaubensbekenntnis ohne das Prinzip Hoffnung in Szene, sondern mehr eine theatralische Tragikomödie, eine wohl zuweilen tragische, mehr aber noch komische Spielerei. Die Zuschauer sitzen auf dem Balkon und im Parkett einander gegenüber. In dem schmalen Gang dazwischen, aber auch in einem ihn in der Mitte querenden und dazu auf Bildschirmen, die im Raum verteilt sind, trägt sich die Geschichte zu, für deren Ausstattung Britta Langanke verantwortlich zeichnet, der Dirk Schaper Videos beisteuert. So agieren und sprechen die zwei Landstreicher zuweilen per Video.

 

Was sie, beide in schwarzen Smokinghosen, schwarzen Hemden, mit roten Krawatten, roten Samtjacken, in schwarzen Lackschuhen knapp zwei Stunden lang vorführen, das sind geradezu artistische Clownerien, körperliche, aber auch sprachliche Kasper-Kaskaden, die präzis einstudiert, manchmal wie improvisiert anmuten, es aber nicht sind. Die Tendenz seiner Inszenierung verdeutlicht Ingo Putz schon dadurch, dass Holger Teßmann als Wladimir und Michael Meichßner als Estragon keine üblichen, sondern durch Gummibänder festgehaltene Melonen in Kindergröße tragen. Fredi Noël ist der herrische, sich göttlicher Abstammung rühmende, in pseudo-sportlicher Kleidung auftretende, am Ende blinde Pozzo, der den als Lastesel bepackten, sich mit nacktem Oberkörper zeigenden Lucky des Dario Krosely demütigt und quält. Wenn Wladimir am Ende bilanziert: „Wir langweilen uns zu Tode, das ist nicht zu leugnen“, so gilt das nicht für die Pforzheimer „Warten auf Godot“-Aufführung.

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